•  Die Geschichte eines Pankower Gewerbegebietes  •
Ein Beitrag zum aktuellen Thema des Verschwindens von Industriearbeitsplätzen;
recherchiert am Beispiel eines kleinen aber einst wichtigen Produktionsstandortes in Berlin-Pankow.

Das Gewerbegebiet in Pankow
zwischen Florastraße 8 und Gaillardstraße 34-38

Pankow

wurde schon seit Ende des 19. Jahrhunderts von unterschiedlichen Betrieben genutzt.
Vor 1900 gab es hier die Nikoleitwerke, 1894 gründete sich die Firma Ernst Hildebrandt.

Bronzehutform    

Seit 1902 betrieb Alexander Kremener
ca. 30 Jahre auf diesem Gelände
eine Hutformenfabrik und Eisengießerei.
Auch die Fabrik Elastischer Glühkörper A.G.
war bis zu ihrer Verlagerung in das kleine Industriegebiet Nordbahnstraße 17
in der Florastraße 8 ansässig.


Glühlampen aus Pankow Beleuchtung für Berlin aus Pankow


Fabrik Elastischer Glühkörper A.G.
zuerst in der Florastraße 8,
dann Nordbahnstraße 17



Und dann war das Gewerbegebiet Flora- / Ecke Gaillardstraße
Standort der "Steatit-Magnesia AG" mit dem "Dralowid-Werk".

Dralowid

Produktionsstätte
ein Betrieb der
Produktionsstätte
Pankow, Gaillardstraße 34-38
In der DDR gab es hier den "VEB Elektokeramik".
Steatit-Magnesia AG Dralowid- Werk Berlin-Pankow
Steatit-Magnesia AG Dralowid
Seinen Ursprung hat das Unternehmen im Jahr 1854 durch Erwerb der weltbekannten Specksteingruben in Göpfesgrün im Fichtelgebirge. Um 1900 waren die Vorkommen im Besitz der Firmen Schwarz und Jean Stadelmann & Co., Nürnberg, die u.a. eine führende Stellung bei der Herstellung von Zündkerzen-Isolatoren für Verbrennungsmotoren hatten. Und die seit 1894 in der Pankower Florastraße 8 ansässige Firma Ernst Hildebrandt war führend auf dem Gebiet der Fabrikation von keramischen Gasglühlicht-Artikeln.
Aus diesen Firmen entstand 1910 die "Vereinigte Magnesia Co. und Ernst Hildebrandt AG", die nun führend bei der Herstellung hochwertiger Isolatoren für die Elektro-Wärmetechnik für die chemische und metallurgische Industrie war. 1921 wurde daraus die "Steatit-Magnesia AG" ( Stemag), die nach Zusammenschlüssen mit einer Reihe weiterer Werke drei große Fabrikationsstätten hatte:
Berlin-Pankow, Lauf bei Nürnberg und und Holenbrunn (Oberfranken).
In Berlin-Pankow war der Sitz der Verwaltungszentrale; in der Pankower Pestalozzistraße 8 hatte die Stemag weitere Büroräume. Die Grundstücke Gaillardstraße 34 und 35 kaufte die Stemag 1932 von Alexander Kremener. 1926 wurde "Dralowid" (Drahtlose Widerstände) gegründet.
Ein weiteres großes Dralowid-Werk gab es in Teltow bei Berlin.

Dralowid

Das Dralowid-Werk in Berlin-Pankow
Dralowid
Baulichkeiten des Pankower Dralowid-Werks in den 30er Jahren
Dralowid
Eine eigene Zeitschrift
erschien jährlich in 12 Nummern
im Selbstverlag des Dralowid-Werkes;
Sitz des Verlages war Pankow, Florastraße 8.
Dralowid
Dralowid Berlin-Pankow
Innenansicht einer Werkhalle 1932
Dralowid-Einkaufsabteilung
Beschäftigte der Abteilung Einkauf
des Dralowidwerks Pankow am 13. Juli 1934


Werbung für Pankower Dralowid-Erzeugnisse
Radio- und elektrotechnische Dralowid-Erzeugnisse aus Berlin-Pankow
waren in sehr vielen Produkten eingebaut.
Dralowid
Dralowid Hochleistungsmikrophon
Dralowid
Dralowid
Dralowid
Es gab Draloston Schallplatten.
Dralowid
Dralowid
Dralowid
Dralowid
Dralowid auf der Berliner Funkausstellung
Projektor
Dralowid-Projektor


Dralowid waren führende Produkte, doch 1939 wurde das Erzeugnissortiment von "Dralowid" im Dienste der Kriegsproduktion erweitert, z.B. Eisenkerne für Funkmesseinrichtungen und für die späteren V-Waffen.
Am 12. März 1945 wurde diese Straßenecke in Pankow heftig bombardiert, wobei etliche Häuser der Flora- und Gaillardstraße getroffen wurden und sicherlich auch das Industriegebiet. Die entstandenen Kriegslücken existieren heute noch.
Die "Stemag" in Ostdeutschland befand sich nach dem 2. Weltkrieg in sowjetrussischem Besitz. Das Dralowid-Werk in Teltow wurde in der DDR 1952 das Werk für Bauelemente der Nachrichtentechnik; hier begannen dann eigene Forschungen auf dem Gebiet der Halbleitertechnik.
Der spätere DDR-Betrieb "VEB Elektrokeramik" in Pankow produzierte keramische Teile für Elektowärme, Lichtbogenschutz und Schaltgeräte sowie Hochfrequenztechnik und war für seine Produktpalette der einzige Herstellerbetrieb in der DDR.

Bei der "Stemag" wurden zuletzt hergestellt: Pressartikel aus Steatit und Porzellan, Isolatoren, hochfeuerfeste Körper, elektrotechnische Bedarfsartikel, Erzeugnisse für die Hochfrequenz- und Radiotechnik, Schmalfilmprojektoren. In Westdeutschland gehörte die Stemag seit 1969 zum AEG-Konzern. In den 70erJahren erfolgten weitere Fusionen mit anderen Unternehmen mit neuen Namen.
Und was ist in Pankow geblieben?
Eine Industriebrache, die sich langsam begrünt.

(siehe Fotos aus den Jahren 2005/06)
Produktionsstätte
Auch eine "nachwendige" GmbH konnte ein "AUS" in Pankow nicht verhindern.
Pankow Pankow
Pankow
Blick von der Gaillardstraße / 2005
- Nummer 34 - 38 -
Pankow
Blick von der Florastraße / 2005
- links das Haus Florastr. 8 -
Produktionsstätte

Ähnliche Industriebrachen gibt es in allen Bezirken Berlins sehr viele.



Quellen:
"Vom Dorf zur Großstadt", Bilder aus der Entwicklungsgeschichte des 19. Berliner Verwaltungsbezirks, 1927
"Große Stadt aus kleinen Steinen", Ein Beitrag zur Geschichte des 19. Berliner Verwaltungsbezirkes, 1936
"Pankow - Kleine Chronik eines Berliner Bezirks" von Rudolf Dörrier, 1949
"Dralowid-Nachrichten" Heft 11, im Selbstverlag, 1933
Heimatsammlung Manns, Pankow



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